Bearbeitet von Horst Jüssen
„Der Menschenfeind“ gehört zu den Stücken, die über die Jahrhunderte hinweg zu uns sprechen können. Die Figuren sind unsere Zeitgenossen. Alceste, der sich in seinem Männerstolz die Geliebte nur als Abhängige vorstellen kann; derselbe scharfsinnige und unerbittliche Gesellschaftskritiker Alceste, der dem frivolen Spiel Célimènes gegenüber so hilflos ist, wie die Fliege im Honigglas; die gut situierte, aber nicht mehr so ganz junge Witwe Célimèné, von einer Unzahl von Verehrern umschwärmt; Philinte, Alceste’s wohl einzig verbliebener Freund; Éliante, Célimènes jüngere Cousine, die den Traum von der großen Liebe kennt, aber lieber der Vernunft vertraut; Oronte, der junge Schriftsteller, der sich, unsterblich in Célimèné verliebt, zum ernstzu[1]nehmenden Konkurrenten und jugendlichen Herausfor[1]derer Alceste’s entwickelt. Molières „Menschenfeind“ ist ein Wunder an psycholo[1]gischer Klarsicht, an realistischer Gesellschaftsanalyse, an komischen und tragikomischen Szenen, an glanzvollen Gesprächen und existentiellen Wortgefechten. Bis heute ist diese staunenswerte Selbstzerfleischungs-Wunde unseres großen Zeitgenossen Molière nicht vernarbt.